Mit  dem Wiederaufbau an glückliche Zeiten angeknüpft
150 Jahre CVJM in Borbeck

Mit dem Wiederaufbau seines Vereinshauses konnte der CVJM Borbeck endlich seine Jugendarbeit glücklich wieder aufnehmen und an alte Zeiten anknüpfen. Auch das Verhältnis zur evangelischen Kirchengemeinde war weiterhin eng und freundschaftlich. Profitiert haben davon beide Seiten: die Mitglieder des Vereins engagierten sich gleichzeitig im Presbyterium der Gemeinde und gestalteten auch den Kindergottesdienst mit, der ja ohnehin auf die Vereinsgründung zurückgeht. Im Gegenzug hat die Gemeinde bis in die sechziger Jahre auf eigene Jugendarbeit verzichtet und die Kinder und Jugendliche ihrer Mitglieder in den CVJM geschickt: wochentags war man im Vereinshaus zum Spielen, zum Sport und zum Musizieren, sonntags ging man zum Gottesdienst in die Matthäuskirche.

Der Verein war wieder aufgeblüht und bot über die Woche ein großes Angebot an Jugendgruppen an. Und was für Gruppen das waren! Bei der Namensgebung haben die Helfer und Leiter wirklich Einfallsreichtum bewiesen. Da gab es die „Catcher“, „Johannes Busch und die Borbecker Spatzen“ – damit wird an den Pfarrer erinnert, der vor allem in der Zeit des Nationalsozialismus den deutschen CVJM geleitet hatte -, die „Seeadler“ und eine Gruppe namens „Servus“. Ach ja, eine der vermutlich ersten „Boygroups“ der Welt ist ebenfalls damals in Borbeck-Mitte entstanden: Jugendliche fanden sich zu einer Band zusammen und nannten sich „The boys“.

Also ein reiches Vereinsleben, das 1965 genauso wie das fünfzigste Jubiläum groß gefeiert wurde: sein 100jährigges Bestehen feierte der CVJM in Schloss Borbeck – übrigens in Anwesenheit des Essener Oberbürgermeisters Wilhelm  Nieswandt. Ab 1967 heißt es „zurück zur Natur“: zum ersten Mal findet ein Pfingstlager statt, das junge Leute während der Feiertage in Zelten auf einer Weide verbringen.
In den siebziger und achtziger Jahren hat der CVJM sein Angebot noch ausgebaut. Vor allem wollte man nun neben der „klassischen Klientel“ auch andere Personengruppen ansprechen. Das waren ab 1970 auch junge Erwachsene, für die Wanderungen und Radtouren ins Programm aufgenommen wurden. Und 1980 erfolgte eine Wende in der Vereinsgeschichte, die sich auch im Namen niederschlug: aus dem „Christlichen Verein Junger Männer“ wurde der „Christliche Verein junger Menschen“. Der CVJM öffnete seine Türen für Mädchen und gründete in diesem Jahr auch gleich seine erste Mädchengruppe, fünf Jahre später entstand der erste Frauenkreis. Auch für Kinder hat der Verein sich geöffnet: 1991 gab es die erste Kinderfreizeit auf dem Kirchberghof bei Warburg.

Die achtziger Jahre waren auch eine Zeit politische Engagements, dem sich der CVJM natürlich ebenfalls nicht entziehen konnte. 1983 wurde neben der klassischen Jugendarbeit auch ein Friedenskreis eingerichtet, der eine Entschließung zum Gewaltverzicht verabschiedete.
Mit all diesen Projekten und Angeboten hat der CVJM Borbeck seine Arbeit und sein Betätigungsfeld abgesteckt und zwei Jahrzehnte lang erfolgreich betrieben. Halten wir einen Moment inne und schauen uns ein typisches Jahr an der Wüstenhöferstraße an: zu Beginn des Jahres wird ein großes Jahresprogramm veröffentlicht, in dem alles drinsteht, was es in der Wüstenhöferstraße so zu erleben gibt. Zwei Kindergruppen, zwei Jugendgruppen, junge Erwachsene, Frauen und Männer und ein Familienkreis treffen sich. Es wird gespielt, es gibt Kickerturniere, auf dem großen Grünfeld hinter dem Haus halten die Organisatoren Fußballturniere ab, die vereinseigene Tischtennisgruppe spielt mittlerweile in der Kreisliga des deutschen CVJM. Für diese Zwecke ist in den Neunzigern auch das Außengelände modernisiert worden, es erhielt Flutlichtscheinwerfer, eine Drainage und einen Bodenbelag aus Tennisasche.

Chronik03Über Pfingsten, im Sommer und im Herbst unternehmen Kinder, Jugendliche, aber auch Familien ihre Freizeiten – und was natürlich auch nicht vergessen werden darf: immer noch gibt es den Posaunenchor, der wöchentlich im großen Saal des Hauses zu seinen Proben kommt, Gottesdienste spielt und einmal im Jahr ein großes Konzert veranstaltet. Außerdem stellten sich die Mitarbeiter 2001 erstmals mit einem eigenen Stand auf den Borbecker Weihnachtsmarkt und verkauften Bratäpfel.

Inzwischen ist die Lage für den Verein wieder etwas schwieriger geworden. Nicht zuletzt die Ausdehnung der Ganztagsbetreuung in den Schulen, aber vermutlich auch die allgemeine Distanz unserer Gesellschaft von allem Christlichen haben Anzahl der jungen Besucher im Vereinshaus schrumpfen lassen. Darauf hat der Verein inzwischen allerdings reagiert. „Unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind ja inzwischen selbst Eltern geworden“ hat Helmut Oehler, der gegenwärtig den CVJM leitet, festgestellt. Was lag da näher, als das Haus auch für Mütter und ihre Kinder zu öffnen? Seit 2009 gibt es die erste Gruppe, die „Krümelmonster“ und 2013 kamen die „Milchmonster“ dazu. Mit ihnen zeigt der CVJM Borbeck, dass auch Familien mit kleinen Kindern bei ihm willkommen sind: „Über den eigenen Nachwuchs wollen wir wieder junge Menschen gewinnen“, wie der Vorsitzende ausdrückt.

Und wo steht der Verein heute? Helmut Oehler ist stolz darauf, Mitglied eines derart traditionsreichen Vereins zu sein, der immer noch für die Menschen im Stadtteil da sein will: „Wir kümmern uns um Menschen, die in der Mitte des Lebens stehen. Unser Auftrag ist es, jungen Menschen von Jesus zu erzählen, damit sie sich in seine Nachfolge rufen lassen. Und wir glaube fest daran, dass Gott uns das auch schenkt“.

Aus: Borbecker Nachrichten vom 29. Mai 2015; Text: Raoul M. Kisselbach; Fotos: CVJM Borbeck.