Sangesfreudige Jungen belebten das Gebäude
Aus der Chronik des CVJM Borbeck

Mit – sicherlich berechtigtem – Stolz feierte der CVJM Borbeck, der damals ja noch „Jungmännerverein“ hieß, sein 60-jähriges Jubiläum im Jahr 1925. Und lange Zeit lief alles gut rund um das Vereinshaus: „sangesfreudige“ Jungen belebten das Gebäude, feierten „Wimpelweihe“, unternahmen Wanderungen, besuchten das Hermannsdenkmal, feierten miteinander das Abendmahl und trafen sich, um über biblische Texte zu sprechen. So wünscht man sich das, wenn man eine christlich geprägte Jugendarbeit organisiert. Doch schon wenige Jahre später wurde die Lage für den Verein deutlich schwieriger.

Nur fünf Jahre nach dem Jubiläum war drohte er in eine erste schwere Krise abzugleiten. Der Verein war verschuldet, der Vorstand zerstritten und auch mit dem Hausmeister gab es Streit. Immerhin sah man sehr schnell ein, dass es so nicht weitergehen konnte. Der Vorstand wurde neu besetzt. Anschließend legte man fest, wer zu den Mitarbeitenden zählte und wer nicht, alle „Helfer“ trafen sich einmal im Monat, um über ihr Engagement und ihre Erfahrungen im Verein, gegebenenfalls auch über Probleme zu sprechen, die sich auftaten. Das Schuldenproblem wurde ebenfalls gelöst: der Verein bat seine Helfer wie seine Besucher um freiwillige Spenden, um seine Arbeit auch in Zukunft weiterführen zu können. „Mit Dank gegen Gott müssen wir sagen: sie [die Helfer] drängten sich nun zur Arbeit“ hält das Protokoll einer Hauptversammlung fest. Ein Jahr später war die Vereinskasse wieder ausgeglichen.

Das Protokoll zeugt im Weiteren vom großen Optimismus dieser Tage: nachdem der Verein die Krise hinter sich gelassen hatte, fanden wieder „verlorene Söhne nach Hause“, die Mitarbeiter bemühten sich eifrig darum ihr „zackiges Jungvolk“ zu erhalten. Als mit dem „Führer“ der Jungschar Arno Hörnemann ein wichtiger Mitarbeiter zurücktrat, machten sich die anderen Helfer ihre Verantwortung bewusst und schulterten seine Aufgaben gemeinsam. Man bat Gott um seinen Segen, und die Jugendarbeit konnte weitergehen. Man merkt es beim Lesen dieses alten Dokumentes: die alltägliche Sprache hat sich seit damals sehr verändert.

Wie wichtig die Betreuung Jugendlicher ist, war dem Verein jedenfalls bewusst: „in dieser Zeit  – an Schwelle zum Erwachsenwerden – fällt die Entscheidung für oder gegen Jesus“, verrät uns das Protokoll. Man kann das verallgemeinern: in der Pubertät erfahren wir alle wichtige prägende Eindrücke, die unser ganzes späteres Leben bestimmen. Das hat man auch damals schon gewusst.
So, wie es nun lief, hätte es noch lange weitergehen können. Doch wiederum zwei Jahre später begann die düsterste Epoche in der Geschichte Deutschlands – und sie hatte natürlich auch auf den CVJM Auswirkungen. Die Nationalsozialisten duldeten keine Jugendarbeit neben ihrer eigenen, und schon gar keine christliche; alles Jungvolk sollte in die Hitler-Jugend und in den BDM integriert werden. Für den CVJM wurde die Arbeit immer schwieriger, und schließlich stand sogar die Gefahr im Raum, das Vereinshaus zu verlieren, da der Staat solche Einrichtungen gern zu beschlagnahmen pflegte. Wäre es so weit gekommen, der CVJM hätte die NS-Zeit sicher nicht überlebt.

Jetzt zahlte sich die enge Verbindung zur evangelischen Kirchengemeinde aus, die der Jungmännerverein ja von Anfang an gesucht hatte. Zum Symbol dieser Verbundenheit war eine Altarbibel geworden, die die Matthäuskirche zum Vereinsjubiläum 1925 vom CVJM erhalten hatte. Jetzt hatte die Gemeinde die Gelegenheit, sich zu revanchieren, das heißt, dem CVJM seine Tagungsstätte zu retten. Sie kaufte ihm das Haus einfach ab vermietete es ihm dann. In den folgenden Jahren, nachdem der Zweite Weltkrieg ausgebrochen worden war, wurde die Verbindung zwischen Gemeinde und Verein noch enger, denn als die Matthäuskirche 1943 durch Bomben zerstört wurde, verlagerte die Gemeinde ihre Gottesdienste ins Jugendhaus an der Buschstraße. Aber leider war die Lösung nur von kurzer Dauer, denn 1944 wurde auch das CVJM-Haus ausgebombt. Nun kam die VereinsarChronik02e Vereinsarbeit wieder zu beleben. Immerhin war das Haus nicht vollständig in Schutt und Asche gelegt worden: ein Raum, das sogenannte Lutherzimmer, in dem ein Bild des großen Reformators hängt, war noch intakt. 1946 begann dort wieder die missionarische Jugendarbeit: ein Bibelkreis wurde eingerichtet, ein Gesprächskreis startete und der Posaunenchor, der ja sowieso eine Konstante in der Geschichte des CVJM Borbeck ist, begann auch wieder mit den Proben. Natürlich darf man sich das alles nicht zu groß vorstellen: viele ehemaligen Mitglieder und Mitspieler waren im Krieg gefallen und die, die noch lebten, befanden sich nicht selten in Kriegsgefangenschaft und kehrte erst nach und nach zurück. Insofern regte sich das Vereinsleben nur zaghaft.

Deswegen mussten die Anstrengungen der „Jungmänner“ auch erst einmal darauf gerichtet werden, das Vereinshaus wiederherzustellen. Die Helfer sammelten eifrig Spenden, erhielten von der Stadt Essen und dem neuen Land Nordrhein-Westfalen finanzielle Zuwendungen und nahmen einen Kredit bei der Evangelischen Kirche auf. Trotzdem blieb eine Menge handwerklicher Arbeit auch an den Mitgliedern des Vereins hängen, so manche Putzarbeit, manche verlegte Fliese und vieles mehr wird durch ihre eigenen Hände gegangen sein. 1951 war das Haus dann wieder aufgebaut, der Neuanfang war gemacht.

Aus: Borbecker Nachrichten vom 22. Mai 2015; Text: Raoul M. Kisselbach; Foto: CVJM Borbeck.