Mit Musik fing 1865 alles an
CVJM Borbeck besteht seit 150 Jahren

Seit 150 Jahren ist er im Essener Nordwesten aktiv: der CVJM Borbeck. Seit 1865 treffen sich dort junge Menschen, inzwischen auch Erwachsene und Mütter mit Kindern, um Sport zu treiben, zu spielen, miteinander zu reden – und über ihren Glauben zu sprechen. Angefangen hat das alles – mit Musik.

Werfen wir einmal einen Blick auf das Ruhrgebiet in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Essen, Werden, Altendorf und Borbeck sind weit auseinanderliegende Kleinstädte, die in dieser Zeit gerade von einer ganz neuen Entwicklung geradezu überrollt werden: Kohlebergwerke und Industrieanlagen entstehen und krempeln die ganze Landschaft um. Das führt dazu, dass aus anderen Landesteilen Menschen an die Ruhr ziehen, um hier Arbeit zu finden. Und ihre Söhne treffen sich in der Freizeit, um miteinander Musik zu machen – Männergesangvereine sind damals groß in Mode.

Auch in Borbeck. Da gab es einen guten christlichen Bürger namens Heinrich Schultenhotte, er hielt sich zur – damals auch noch recht jungen – evangelischen Gemeinde. Er beobachtete mit Wohlwollen, dass die jungen Männer im Ort sich regelmäßig zum gemeinsamen Singen trafen. Allerdings gingen sie dazu in eine Kneipe – und tranken dabei sicher auch das eine oder andere Glas Bier. Das konnte der gute Mann natürlich nicht dulden. Gemeinsam mit ein paar Gleichgesinnten sprach er schließlich den Borbecker Pfarrer Wilhelm Friedrich Haardt an. Haardt erklärte sich einverstanden, die Gründung eines evangelischen „Jungmännervereins“ zu beschließen, um die Jugend „den Gefahren, denen sie sonderlich durch den Wirtshausbesuch ausgesetzt sind, entgegenzuwirken und in ihnen eine christliche Haltung zu wecken“ (wie es damals formuliert wurde). Im Anschluss an die Konfirmationsfeier im Jahr 1865 wurde der Plan während eines Gottesdienstes in der Matthäuskirche verkündet. Alle jungen Männer, die mit machen wollten, wurden in die „Katechisierstube“ im Pfarrhaus eingeladen. Der Erfolg war riesig, und der neue Verein schloss sich mit seiner Gründung auch gleich dem weltweiten CVJM an – der hatte sich auch erst ein Jahrzehnt zuvor als „Westdeutscher Jungmännerbund“ gegründet.

Von Anfang an waren diese zwei Betätigungsfelder für den CVJM von zentraler Bedeutung, und sind es auch heute noch: Musik und die Bibel. Die ersten Mitglieder trafen sich bei Pfarrer Haardt, zunächst, um gemeinsam zu singen und dann in der Bibel zu lesen. Daneben entstand aus der Kirchengemeinde heraus auch eine Sonntagsschule, die den jungen Leuten ebenfalls das Wort Gottes nahebringen sollte. Aus ihr entstand später der Kindergottesdienst in der Matthäuskirche.

Eine weitere Tradition, die sich bis heute erhalten hat, begann nur wenige Jahre später: 1868 spielte der Posaunenchor zum ersten Mal. Sowohl die Bläser als auch die Sänger im CVJM sind auch in den Gottesdiensten der Gemeinde aufgetreten. Im Gegenzug durften die Proben und die Vereinstreffen bis ins führe 20. Jahrhundert hinein in einem Nebenraum des Pfarrhauses stattfinden. Dass der CVJM von Anfang an darauf verzichtete, eigene Gottesdienste zu feiern und seine Mitglieder stattdessen einlud, in die Matthäuskirche zu gehen, zeigt die tiefe Verbundenheit zwischen den beiden christlichen Einrichtungen. Sie war auch schlichtweg eine Notwendigkeit, denn in der Bürgermeisterei Borbeck – wie eigentlich in ganz Essen – stellten die evangelischen Christen nur eine kleine Minderheit dar; „alternativlos“ würde man das heute nennen.

Dennoch wurde der Raum irgendwann zu klein. Der Verein brauchte ein eigenes Haus für seine Gruppen und Treffen. Schließlich kaufte man ein Grundstück an der Buschstraße. Der Essener Architekt Fritz Heidemeyer entwarf ein Gebäude mit mehreren Räumen, einem großen Saal und zwei Wohnungen. Am 20. August wurde der Grundstein gelegt.
Freilich war dieses Projekt nicht ganz so einfach zu realisieren, wie es sich heute liest. 78.000 Mark hat das Haus gekostet, eine für die damalige Zeit riesige Summe. Abgesehen von Spenden der Mitglieder musste der Verein auch eine große Hypothek bei der Evangelischen Kirche aufnehmen. Doch die finanziellen Probleme wurden gelöst. Mit einem Dankgottesdienst in der Matthäuskirche und einem festlichen Umzug zum Bauplatz begann die Errichtung des Vereinshauses: „Es sei ein Haus, in dem die Missionsarbeit unter den jungen Männern Borbecks heimisch sei. Es diene aller Arbeit im Reich Gottes“, so steht es in der Urkunde zum Baubeginn. Und am 18. März 1912 konnte der Vorsitzende Otto Adorf das Haus feierlich einweihen. Von nun an ist auch Platz für eine Trommlergruppe und eine Turnabteilung, außerdem gibt es eine Bücherei.
 
ChronikDie Adresse des Hauses hat sich in der Zwischenzeit geändert, da die Buschstraße heute Wüstenhöferstraße heißt. Auch sie hat mit dem Verein zu tun: Paul Wüstenhöfer war der Direktor des Essener Bergwerksvereins „König Wilhelm“ und hat den CVJM immer wieder finanziell unterstützt. Spendern wie ihm ist es letztlich zu verdanken, dass der Verein auch die Krisenjahre überstand, die auch ihm letztlich nicht erspart blieben. Andererseits hat der Verein natürlich auch selbst immer wieder seine Hilfe angeboten, wo er konnte: 1918 übernahm er die Patenschaft für ein Kind, das im Ersten Weltkrieg seine Eltern verloren hat. „Sie dürfen versichert sein, dass die Mittel der Kriegspatenkasse Segen bringen werden. Die Kinder selbst werden gewiss stets dankbaren Herzens ihrer Gönner gedenken“, so steht es in der Urkunde, die die Stadt Essen damals ausgestellt hat.

1925 kann der Jungmännerverein sein großes Jubiläum zum 60-jährigen Bestehen feiern. Der Verein richtete ein großes Fest auf dem Borbecker Markt aus, direkt vor der Dionysiuskirche. Der große Aufwand zeigt, wie sehr er sich inzwischen im Leben der Stadt etabliert hat. Doch leider kommen schon in wenigen Jahren unruhige Zeiten auf den CVJM zu.

Aus: Borbecker Nachrichten vom 25. September 2014; Text: Raoul M. Kisselbach; Foto: CVJM Borbeck.